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Gesundheit ist das höchste Gut (Nagaya Magazin 4/2011)

01.04.2011

Texte, Fotos.

Die Menschen in Afrika haben eine kürzere Lebenserwartung als die Europäer. Vor allem die Kindersterblichkeit ist hoch in den Ländern des Südens. Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe kämpft auf vielfältige Weise für die Gesundheit vor allem der Kinder und Frauen.

Von Bernd Hauser

Der zehnjährige Abduraman kann sich kaum auf dem Rücken des Esels halten, mit dem ihn seine Eltern zum Gesundheitsdienst von Menschen für Menschen im abgelegenen Dorf Beleti bringen. Der Junge fiebert, er klagt über starke Gliederschmerzen. Die Diagnose fällt Krankenschwester Emenuschale Abera nicht schwer: Malaria. Ihre größten Opfer fordert die Krankheit in Afrika, wo Schätzungen zufolge alle 30 Sekunden ein Kind daran stirbt1 - dann nämlich, wenn es keine medizinische Hilfe erhält. Abduraman bekommt eine Spritze gegen die Gliederschmerzen – er ist so erschöpft, dass er den Stich kaum wahrnimmt. Vor allem aber verschreibt die Krankenschwester dem Jungen eine Packung Malariatabletten: „Nach drei Tagen wird es dir wieder besser gehen.“

Beleti liegt im heißen Tiefland des MfM-Projektgebietes Boretscha. Früher mieden die Menschen diesen lebensfeindlichen Landstrich. Aber weil die Bevölkerung wächst und der Boden im Hochland nicht mehr genug abwirft, sind viele Familien gezwungen, im malariaverseuchten Tiefland zu siedeln. Die Äthiopienhilfe beschloss, ihnen mit dem Bau einer Gesundheitsstation zu helfen, doch zunächst bietet Krankenschwester Emenuschale in einem „Clinomobil“2 ihren Service an: einem Behandlungs-Container, der von einem Lastwagen über Stock und Stein herantransportiert wurde. Die Neonröhren und das Waschbecken in dem Container sind nicht zu gebrauchen: Es gibt weder Strom- noch Wasserversorgung.

An arbeitsreichen Tagen hat die Krankenschwester bis zu 80 Patienten. Manchmal muss sie Schlangenbisse mit Antiallergika behandeln, alltäglich dagegen sind neben der Malaria auch Atemwegserkrankungen, vor allem bei Frauen und Kindern, hervorgerufen durch den beißenden Rauch der Kochfeuer. Oft kommen Kleinkinder mit Verbrennungen, beim Spielen fallen sie in die Feuerstellen. „Wir sind so froh, dass Emenuschale bei uns ist“, sagt Atalei Modedu, die Mutter von Abduraman. „Unser Leben liegt in ihren Händen.“

„Es ist hart für mich, hier unten in Beleti zu leben: ohne Familie und Freunde und ohne jeden Komfort“, sagt die Dreißigjährige, der man ansieht, dass sie aus einer Stadt kommt mit ihren lackierten Zehen in schicken Sandalen. „Aber ich rette Leben und die Menschen danken es mir, das ist eine wunderbare Erfahrung.“

Emenuschelas Engagement ist nur eines von vielen, mit denen die Äthiopienhilfe das Recht der Menschen auf Gesundheit verwirklicht. Im Universitätshospital von Jimma im Südwesten Äthiopiens zum Beispiel hat Menschen für Menschen ein Prothesen-Zentrum eingerichtet – das erste in einer Region mit 15 Millionen Menschen. Pro Jahr erhalten dort 300 Menschen, die durch eine Infektion oder einen Unfall ein Bein verloren haben, künstliche Gliedmaßen.

Landesweit ist das Trachom verbreitet, eine heimtückische Infektion des Augenlides, die zur Erblindung führen kann. Durch die Infektion verändert sich die Stellung des Lides und die Wimpern scheuern ständig an der Hornhaut des Auges. Krankenschwestern von Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe haben mit Antibiotika und kleinen chirurgischen Eingriffen bislang 42.0003 Patienten das Augenlicht gerettet.

Problematisch für die Gesundheitsversorgung ist, dass zu vielen Dörfern keine Straßen führen. Menschen für Menschen hat über 2000 Kilometer Zufahrtswege gebaut und in den entlegenen Gebieten darauf insgesamt 864 Gesundheitsstationen errichtet oder erweitert. Begleitet werden diese Maßnahmen durch Schulungen. Mitarbeiter besuchen die Dörfer und verbreiten ihr Wissen zu Hygiene und Gesundheitsvorsorge.

Auch Schwester Emenuschela beginnt der Arbeitstag regelmäßg mit einem Vortrag vor den wartenden Patienten. Häufig geht es auch um Geburtsvorbereitung: Meist bringen die Frauen ihre Kinder in der heimischen Hütte zur Welt, ohne Hilfe einer Hebamme. „Wenn Komplikationen auftreten, müssen die Männer dafür sorgen, dass ihre Frauen so schnell wie möglich in ein Krankenhaus kommen“, erklärt Emenuschela - auch wenn dieses weit entfernt und die Kosten für den Transport in einem gemieteten Auto kaum zu bezahlen seien für die armen Bauern.

Girma Fejesa hat diesen Rat befolgt. Er bat seine Nachbarn, ihm zu helfen, als seine Frau Etschegaju in Wehen lag. Auf einer Bahre trugen sie die zierliche Frau ins eineinhalb Stunden enfernte Mattu-Karl-Hospital. Das von Menschen für Menschen erbaute Krankenhaus im Südwesen Äthiopiens ist die einzige Einrichtung in einem riesigen Einzugsgebiet mit über einer Million Menschen, wo ein Kaiserschnitt möglich ist. Das Baby lag verkehrt, nur der chirurgische Eingriff rettete das Leben von Etschegaju und ihrem Sohn.

Etschegaju hat jetzt drei Kinder. Der Dienst habende Arzt erklärte ihr, dass weitere Schwangerschaften für die Mutter hoch gefährlich wären. Menschen für Menschen bietet in seinen Projektgebieten den Frauen Möglichkeiten der Familienplanung an: neben Kondomen auch Hormoninjektionen, die langfristig vor Schwangerschaft bewahren; für viele der abgezehrten Frauen bedeuten Verhütungsmittel auch Gesundheitsschutz. Etschegaju möchte das Angebot wahrnehmen: „Das war meine letzte Geburt“, sagt sie leise.

Ein besonderes Augenmerk liegt für die Äthiopienhilfe auf dem besseren Schutz der Kinder: Nach den aktuellen Zahlen der Regierung erlebt jedes achte Kind seinen fünften Geburtstag nicht. Der Grund ist unter anderem, dass viele Kinder nicht geimpft sind. Gegen Masern, Diphterie, Keuchkusten, Tuberkulose, Tetanus und Kinderlähmung organisiert Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe regelmäßig große Impfkampagnen – und rettet für wenig Geld Gesundheit und Leben: Für nur 50 Euro können 15 Kinder geschützt werden.

Eigentlich sind die Impfprogramme Aufgabe der staatlichen Gesundheitsverwaltung. Doch den Beamten fehlt es an Impfstoffen oder ihre mobilen Kühlboxen für das Serum funktionieren nicht. Oft haben sie keinen Geländewagen, um in die abgelegenen Dörfer zu kommen. Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe unterstützt deshalb die staatlichen Kräfte mit Impfserum und mobilen Kühlboxen, sorgt für den Transport und schickt auch eigenes Gesundheitspersonal.

„Kommt zum Impftermin, und ihr werdet kein Kind mehr verlieren“, warb der Mitarbeiter von Menschen für Menschen, der in Alemi Jamals Dorf im Projektgebiet Boretscha von Hütte zu Hütte ging. Ihr Söhnchen Redwan war nur wenige Monate alt, als er plötzlich fieberte und starb. „Dieses Schicksal soll seinen Geschwistern erspart bleiben“, sagt die junge Mutter. Sie hat den fünfjährigen Ali, die dreijährige Rusi und die zweijährige Feida in die Kleinstadt Janfa gebracht, wo Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe eine große Impfaktion durchführt: Außer den Geschwistern werden an diesem Tag rund 150 weitere Babys und Kinder vor den lebensbedrohlichen Krankheiten geschützt.

Dieser Text ist im NAGAYA MAGAZIN 4/2011 erschienen, der Spenderzeitschrift der Stiftung Menschen für Menschen.

Nagaya Magazin 04/11 01
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